Softshell-Kurzmantel – meine neue Lieblingsjacke

Ich bin hin- und hergerissen, soll ich eine Softshell-Jacke tatsächlich selber machen? So ein Stoff ist nicht gerade billig und es sieht sehr aufwändig aus. Ich nehme den Mut zusammen und kauf den nötigen Stoff und die weiteren Materialien ein. Nach dem Waschen liegen sie wieder eine gute Weile da, bis ich wieder genug Mut aufbringen kann. Das Schnittmuster übertrage ich in Grösse 40 auf Folie, schneide es jedoch noch nicht aus und lasse es auch Ruhen. Bis an den Tag, an dem ich mich endgültig aufraffe.

Als erstes überdenke ich das Schnittmuster. Da es sich im Original um Techno-Viskose-Interlockjersey handelt – keine Ahnung was das ist – und Softshell nicht so dehnbar ist, zeichne ich es sicherheitshalber eine Nummer grösser ein (42). Da es sich um so viele Längs-Nähte handelt, summieren sich auch schon 3 mm. Ich messe mich mehrmals aus und vergleiche die Schnitte mit einer gekauften Softshell-Jacke. Sobald das Schnittmuster ausgeschnitten ist, vergleiche ich es nochmals mit der Vorlage und tatsächlich, eine Länge habe ich zu kurz angezeichnet. Bei Folie ist das schnell geflickt, etwas Folie ankleben und neu ausschneiden. Anschliessend kontrolliere ich, ob alle Zeichen da sind. Die Beschreibung aus der Ottobre scanne ich ein und drucke sie aus, somit kann ich alles erledigte abstreichen; Wort für Wort oder Satz für Satz.

Zuschneiden

Zum letzten Mal nehme ich all meinen Mut zusammen und schneide den Stoff zu. Es ist jetzt 9.40 Uhr. Zuerst kämpfe ich mich mit dem Rollmesser ab. Sobald ich dann die Klinge wechsle läuft es wie Butter durch den Stoff! Alle Teile schneide ich so genau wie möglich nach der Folie aus.

Die Ärmeln scheinen sie mir eher kurz. Ich mag das weniger gut und verlängere sie um 5 cm. Eigentlich hätte ich das besser beim Schnittmuster schon gemacht, aber jetzt schneide ich die obere Hälfte des Stoffes aus. Anschliessend schneide ich 5 cm unter dem Armende eine Linie. Dann schiebe ich das Schnittmuster nach unten auf die verlängerte Linie und schneide den Rest zu. Auch die Taschen scheinen mir zu klein. Ich schneide sie anhand meiner Hände in den Rundungen grosszügiger zu. Zweimal in Softshell und zweimal mir einem normalen Jersey. Nach einer Stunde sind alle Teile aus Softshell fertig zugeschnitten.

Schrägband selber herstellen?

Für das Schrägband lege ich den Stoff einfach hin und den Massstab mit der 45 Grad-Kante an die Webkante (da wo in meinem Fall noch ein weisser Streifen ist, welcher ausfranst). Jetzt schneide ich mit dem Rollschneider 5 Streifen in 3 cm Breite im schrägen Fadenlauf. Anschliessend folgen zwei Streifen im geraden Fadenlauf (auf der andere Seite des Stoffes). Letztere sollten übrigens die ganze Länge vorderes Mittelteil und Kapuzenunterteil beinhalten. Inklusive nachschauen wie das geht und zuschneiden vergeht schnell eine halbe Stunde.

Formband

Formband habe ich keines, aber ich habe mal eine günstige grosse Rolle Einlage gekauft, welche ich dazu verwende. Sie ist weiss, und ich werde erst später merken, dass sie manchmal hervorblitzen wird, wenn der dunkle Kurzmantel später offen ist. Das aufbügeln geht schnell und ich kann an die Nähmaschine.

Softshell nähen

Ich benutze folgende Einstellungen an meiner Bernina B560.

Stich 1
Stichlänge 4
die Oberfadenspannung regle ich etwas herunter 3.25

An Softshell-Resten teste ich die besten Einstellungen und die Art, die Nähte zu nähen. Ich bin mir erst nicht sicher ob ich die Nähtzugaben einzeln beidseitig absteppen soll. Muss ich nun alle Kanten einzeln versäubern? Ich bin unsicher und entscheide mich schlussendlich erst die Nähte zu nähen und dann die beiden Kanten gemeinsam zu zickzacken. Das anschliessende Kantenbügeln verschiebe ich auf den Schluss.

Taschen

Auf den beiden kurzen Reissverschlüssen markiere ich oben und unten die Länge der Tascheneingriffe. Die Beschreibung der Taschenteile habe ich nicht ganz verstanden. Die dünnen Taschenteile (also die aus dem anderen Jersey-Stoff) nehme ich nun als äussere Taschenteile, ohne Schnittzugabe. Die Taschen liegen zum Schluss in Richtung Hauptreissverschluss. Bei der einen Tasche habe ich die Untersteppnaht nur im dünnen Jersey gemacht, im Softshell nicht. Zuletzt nähe ich die Taschenbeutel einfach rechts auf rechts zusammen.

Reissverschluss bei den Tascheneingriffen
Richtiger Sitz der Reissverschlüsse bei den Taschen

Zusammensetzen

Nun habe ich die Längsteile alle zusammengenäht und stelle mich erwartungsvoll vor den Spiegel. Wow, ich bin begeistert! Die Ärmel, die Kapuze und die Säume fehlen zwar noch – aber was ich sehe, sitzt. Tolle Farbe, nicht zu gross und wohl auch nicht zu klein. Zum Glück, denn im Nachhinein etwas anpassen, würde mit meinem Wissensstand schwierig, das merke ich recht schnell. Am liebsten würde ich sofort weitermachen, aber jetzt muss ich ins Bett. Morgen geht es weiter.

An den Armkugeln hab ich Einhaltefäden gemacht, aber das funktioniert nicht und heute Morgen fällt mir auf dass die Jacke hinten absteht, warum denn das?

Kapuze und Kapuzenbeleg

Bei der Kapuze passieren mir einige Fehler. Beim Beleg zeichne ich fälschlicherweise auch die Löcher mit Kugelschreiber ein. Dabei braucht es die nur aussen. Beim Lochen realisiere ich nicht, dass das Lochwerkzeug für die Prym-Zange zwei verschiedene Grössen hat. Je nach Seite ist es 3 oder 4 mm breit. Da ich sie erst zu klein mache, ist es anschliessend etwas schwierig noch grössere Löcher zu machen, es wird nicht richtig gefasst. Es klappt dann, aber es folgt der nächste Fehler. Ich setze die Öse falsch zusammen, das rückseitige Teil ist nun auf der Kapuze. Besser ist, zuerst die Öse korrekt durch den Stoff stecken und dann das Gegenstück mit dem schwarzen Teil (Vertiefung in der Mitte, damit das untere Teil wo oben rauskommt da reingedrückt werden kann) in die Zange legen und richtig fest rein drücken mit beiden Händen.

Bandversäuberung

Füsschen Nr. 3, es ist glaub der Knopflochfuss, eignet sich sehr gut für die Bandversäuberung an den Kanten. Eingelegt, Stich -3 rüber gestellt und wie von Zauberhand ist alles sauber genäht. In der Kante drin, kann ich nicht nähen, weil es mir sonst die Rückseite nicht immer packt. Hätte ich andere Garnfarbe nehmen sollen? Soweit geht es gut, nur ein wenig gechnorze über den dreifachen Nähten – weniger für die Machine, die macht das mit links – aber das halten und passen etc… es geht.

Reissverschluss

Jetzt kommt der Reissverschluss: ich will unbedingt eine Klappe oder wie man das nennt hinter dem Reissverschluss haben. Damit man nicht den Pulli einklemmt, oder wenn es kühl ist, keine Kälte durch die Zähnchen dringt. Das ist leider nicht so auf der Beschreibung, also ist selber basteln angesagt. Einen Streifen in Länge des Reissverschlusses ausgeschnitten mit abgerundeten Ecken, davon eine Seite versäumt mit zickzack.

Die Popeline-Streifen bei den Reissverschlüssen hätten die vordere Mitte inklusive Kapuzenteil lang sein sollen. Gut ich habe jetzt angesetzt, das sieht ja niemand. Diesmal werden laut Beschreibung dieser Versäuberungsstreifen nur nach hinten geklappt und dann von Rechts angenäht. Leider wird das eher „gschnurpf“. Es sind 6 oder mehr Stoff-/Reissverschlussschichten…  und zusätzlich mein gewünschten Reissverschluss-Streifen, der das Klammern setzten verunmöglicht. Ich habe es versucht so gut es geht, aber es sieht gar nicht toll aus. Und warum ist jetzt plötzlich der Reissverschluss nicht mehr gleich lang?? Ich habe ihn am Anfang oben geheftet und unten stimmt es jetzt nicht mehr mit der Markierung überein. Mit stellenweise heften und etwas dehnen kann ich den zweiten Reissverschlussteil dann doch noch gleich lang machen.

Soll ich die Versäuberungsstreifen nochmals neu machen? Die sehen wirklich nicht gut aus. Ich lass es für den Moment, aber glücklich bin ich damit nicht.

Die Ärmel sind etwas zu lang, ich kürze um 1 cm und steppe den Saum ab. Auch die restlichen Säume steppe ich ab. Tatsächlich, ich habe meine erste aufwändige Näharbeit geschafft. Weiter unten findest du mein Fazit.

Fakten

Schnittmuster Everyday Wear Kurzmantel Ottobre Woman 2/15

Einkaufsliste ungefüttert
170 cm Regenjackenstoff (Softshell)
30 cm Baumwoll Popeline (Versäuberungsstreifen)
Formband 12 mm (habe Vlies verwendet) (passende Farbe)
Teilbarer Reissverschluss 70cm 6 mm breite Zähnchen
2 Reissverschlüsse 15 cm mit 4 mm Verzahnung
130 cm elastische Kordel
2 Kordelstopper
3 Kordelenden
passendes Nähgarn, es braucht fast eine ganze Rolle 200 Meter

fündig im Kuntundbunt, Effretikon

Fazit

Mein erstes grosses Projekt, wird es gut herauskommen? Mir ist bange, da der Stoff nicht gerade billig ist. In der Ottobre-fb-Gruppe lese ich was andere für Erfahrungen gemacht haben. Das Schnittmuster ist nicht für Softshell, sondern für ein dehnbareres Material:

Ich bin immer noch begeistert wenn ich den Kurzmantel anziehe. Am folgenden Abend kann ich sie zum ersten Mal testen. Toll, ich kann sogar eine dünnere Jacke drunter anziehen, wenn es auf dem Velo (Fahrrad) zu kühl ist. Natürlich muss sie auch mit, auf meine erste Reise in die Highlands. Sie eignet sich tadellos! Ein paar Tropfen hält sie aus und gegen Wind bin ich sehr gut geschützt. Ich habe volle Bewegungsfreiheit, da Softshell auch etwas dehnbar ist. Das einzige was mich nicht glücklich macht, sind die Versäuberungsstreifen beim Reissverschluss, welche so ungleichmässig daher kommen. Das müsste ich sicherlich flicken. Abgesehen dieser Streifen am Reissverschluss sind alle anderen Versäuberungsstreifen sehr sauber. Sie fallen recht auf, dass heisst ein Halstuch muss farblich passen. Vielleicht muss ich darauf ein nächstes Mal noch besser schauen. Nächstes mal eher dunkles Vlies/Formband nehmen. Es ist manchmal sichtbar.

Oben am Reissverschluss hätte noch eine Klappe genützt, welche über den Reissverschluss gelegt hätte werden können, damit die Zähnchen nie weht tun können… Das Abstehen ist mir nicht mehr aufgefallen, es hat sich gelegt. Das Bügeln der Kanten hat nicht funktioniert, Softshell lässt sich nicht so einfach bügeln.

Weisst du wie sich dieser Stoffstreifen hinter dem Reissverschluss nennt? Was meinst du zu meinem Kurzmantel?

Dank des Wetters ist das nun meine Lieblingsjacke! Ich gehe diesen Herbst wohl nirgendwo mehr hin, ohne! Mal sehen was die bei Rums so drüber denken 😉

ps. erkennst du die Stadt im Hintergrund?

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9 thoughts on “Softshell-Kurzmantel – meine neue Lieblingsjacke

  1. Hallo Sibni!
    Herzlichen Glückwunsch- ein ganz toller Mantel! Und ein richtiges Nähkrimi! Der gesuchte Streifen ist Kinnschutz, muss unbedingt hin. Ich habe schon oft Softshell vernäht, man soll unbedingt ein Schnitt für Softshell verwenden.
    Liebe Grüße aus Fröndenberg, Nataliya

    1. Hallo Nataliya,
      danke dir. Mein Streifen liegt eben nur hinter dem Reissverschluss. Dieser Kinnschutz fehlt mir und manchmal kratzen die Zähnchen etwas. Das würde ich beim nächsten Mal besser machen.
      Grüsse Sibni

  2. wunderbar! Seiht wirklich toll aus. Und so ein ausführlicher Post! Ich hab den Schnitt auch zu liegen und wollte es mit dickem Fleece versuchen….

  3. Danke Dir für deinen tollen, ausführlichen Post! Bei mir liegt hier auch gerade Softshell und wartet darauf, angeschnitten zu werden – mir geht es ähnlich wie Dir! Aber wenn ich Dein Ergebnis sehe – Hut ab! Wirklich großartig, der Mantel sieht hammermäßig gut aus. Man sieht die Mühe und die Zeit, die Du investiert hast. Aber es hat sich in jedem Falle sehr gelohnt! Liebe Grüße und Danke für die Inspiration und das Teilen Deines Wissens! Karin

    1. Danke Karin
      Es lohnt sich, nur Mut. 😉 Vielleicht hilft dir ja einer meiner Inputs weiter, das würde mich sehr freuen.
      Grüsse Sibni

  4. Toll geworden, die Jacke. Ich hab sie mir auch erst genäht , ich find den Schnitt toll, auch in dieser Farbe, die suprer nach Schottland passt. Das ist doch Edinburg im Hintergrund, oder?
    LG Ingrid

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